Mineralien, Fossilien
Geologie im Alpstein
 

DIE MINERALOGISCHE ERFORSCHUNG DES ALPSTEINS

 

In der Literatur wird erstmals zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine Mineralfundstelle des Alpsteins erwähnt. Der Zürcher Gelehrte Johann Jacob Scheuchzer beschreibt in seinem Werk "Specimen Lithographiae Helvetiae curiosae“ (1702) den von ihm "Selenites rhomboidalis“ genannten Calcit der Kristallhöhle Kobelwald und gibt drei Abbildungen in Kupfer wieder. Es handelt sich dabei um die ersten druckgraphischen Darstellungen von Mineralien des Alpsteins. Die Abbildungen zeigen: Calcit als Spaltrhomboeder ("Fig. 71."), Giebelförmigen Calcit ("Fig. 72.") sowie Calcit als "hell-lautern Stein, aus dessen Grunde ein weisses Wölklein aufsteigt“ ("Fig. 73.").

Auch in Scheuchzers späteren Werken von 1706 und 1746 wird die Kristallhöhle aufgeführt. Den erwähnten drei Abbildungen fügt Johann Jacob Scheuchzer bei diesen Ausgaben noch eine weitere Abbildung eines Calcites hinzu: "Etwan siehet man in Mitte des Steins viele kleine Luft-Bläslein, wie in Fig. 73.* “

Kupferradierung "Tab. X.", aus Scheuchzer Johann Jacob (1746).

Foto: Zentralbibliothek Zürich.

Kupferradierung "Tab. XI.“, aus Scheuchzer Johann Jacob (1746).

Foto: Zentralbibliothek Zürich.

Abraham Ruchat gibt in "Les Délices de la Suisse“(1714, Tome second) wie auch in seinen beiden späteren Werken "L’Etat et les délices de la Suisse“ (1730, Tome troisième sowie 1778, Tome second) eine kurze Beschreibung der Kristallhöhle Kobelwald wieder, wobei er sich auf die Angaben von Johann Jacob Scheuchzer stützt. Dem Text fügt er in sämtlichen Ausgaben eine Kupferradierung mit der Darstellung zweier Calcite bei. Dazu verwendete er als Vorlagen Scheuchzers "Fig. 71.“ und "Fig. 73.“

Kupferradierung aus Abraham Ruchats "Les Délices de la Suisse" (1714). Foto: Peter Kürsteiner.

Der Bernecker Pfarrer Gabriel Walser (1740) berichtet ebenfalls über die Kristallhöhle Kobelwald. Die Calcite nennt er "Crystallus islandica“. Er schreibt: "Dieser Stein siehet dem Crystall gleich, so offt er von einander geschlagen wird, zerfallet er allezeit in einen Rhombum, oder ablang gevierdte Figur“. Aus dieser Beschreibung kann geschlossen werden, dass Walser Kenntnis hatte von den besonderen Spalteigenschaften des Calcites.

Als erster Autor führt Walser auch Mineralien anderer Fundstellen des Alpsteins auf. So berichtet er von: "Pseud-Adamantes, hinter dem Oehrlein. Rubin, an gleichem Ort. Androdamas colore Schmaragdino, im hintern Gitzi=Kessi, hinter dem Oehrlein, und in denen dürren Schrennen hinter dem Aescher, Lapis Nephriticus, hinter dem Oehrlein. Pyrites et Fluor Crystallinus, hinter dem Oehrlein, u. a. m. Crystallus Islandica, im Brüllisauer=Tobel und vielen andern Orten.“ Die sogenannten "Öhrli-Diamanten" aus der Gegend des Öhrli sowie die Fluorite der Dürrschrennenhöhle waren demnach bereits zu Beginn des 18. Jahrhundert bekannt.

Unter den Erforschern der Mineralien des Alpsteins war Emil Bächler (1868-1950) zweifellos der bedeutendste. Er war seit 1897 teilzeitlich als Assistent und ab 1902 vollamtlich als Konservator am Naturmuseum St. Gallen tätig. Die Naturgeschichte des Säntisgebirges bildete zu jener Zeit den Mittelpunkt seiner Forschungen. Dementsprechend beschäftigte sich Emil Bächler auch besonders mit der Mineralogie des Alpsteins. Im Jahre 1902 begann er, für das Museum eine Sammlung von Belegstufen dieses Gebietes anzulegen.

Emil Bächler untersuchte verschiedene alte und neue Mineralfundstellen des Säntisgebietes wie beispielsweise Kristallhöhle Kobelwald, Steinbruch Montlingerberg, Dürrschrennenhöhle und Umgebung, Tierwies-Girenspitz, Öhrli oder Steinbruch Scheregg. Seine Untersuchungsergebnisse publizierte er mehrheitlich in den Jahrbüchern der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft St. Gallen (Bächler E. 1904, 1905 a-c, 1908, 1914).

Emil Bächler beim Vermessen von Höhlenbärenknochen (1927).

Foto: Archiv Naturmuseum St. Gallen.

 

Emil Bächler konnte sich bei seiner Sammeltätigkeit auf die tatkräftige Mithilfe von Otto Köberle (1867-1926) stützen, welcher in den Sommermonaten vorwiegend mit dem Suchen und Sammeln von Mineralien, Gesteinen und Versteinerungen beschäftigt war. Köberle dürfte sein Einkommen mindestens teilweise mit seiner Sammeltätigkeit bestritten haben.

Seit den 1970-er Jahren beschäftigen sich der Autor und Michael Soom sowie über längere Zeit auch Bernhard Lämmler systematisch mit den Mineralvorkommen des Alpsteins und der angrenzenden Subalpinen Molasse. In den letzten vier Jahrzehnten konnte eine Belegsammlung von über 1000 Mineralproben von etwa 80 verschiedenen Fundstellen zusammengetragen werden, welche auch die Grundlage für das Buch „Mineralien im Alpstein“ (Kürsteiner und Soom, 2007) sowie für den vorliegenden Text bildet.

 

Literatur

Bächler Emil (1904 a): Bericht über das naturhistorische Museum. Jahrbuch St. Gallische Naturwissenschaftliche Gesellschaft für das Vereinsjahr 1903 (1902-1903), 129-168.

Bächler Emil (1905 a): Vortrag über die Flussspathöhle in der Dürrschrennen beim Äscher-Wildkirchli und die neuesten Funde in derselben. Jahrbuch St. Gallische Naturwissenschaftliche Gesellschaft für das Vereinsjahr 1904, 35-38.

Bächler Emil (1905 b): Bericht über das naturhistorische Museum. Jahrbuch St. Gallische Naturwissenschaftliche Gesellschaft für das Vereinsjahr 1904, 95-135.

Bächler Emil (1905 c): Beiträge zur Kenntnis der Höhlen des Säntisgebirges. Jahrbuch St. Gallische Naturwissenschaftliche Gesellschaft für das Vereinsjahr 1904, 239-309.

Bächler Emil (1908): Minerale des Säntisgebirges. In: Lüthi und Egloff (1908): Das Säntis-Gebiet. Fehr’sche Buchhandlung, St. Gallen, 166-170 (und ebenfalls erschienen in verschiedenen späteren Auflagen des „Säntis-Führers“).

Bächler Emil (1914): Neue, seltene Funde von Flussspat aus dem Säntisgebirge und dem st. gallischen Rheintal. Jahrbuch St. Gallische Naturwissenschaftliche Gesellschaft 53, 72-101.

Kürsteiner Peter und Soom Michael (2007): Mineralien im Alpstein. Appenzeller Verlag, Herisau.

Ruchat Abraham (1714): Les Délices de la Suisse. Pierre van der Aa, Leiden.

Ruchat Abraham (1730): L’Etat et les délices de la Suisse. Wettstein und Smith, Amsterdam.

Ruchat Abraham (1778): Etat et délices de la Suisse. Samuel Fauche, Neuchâtel.

Scheuchzer Johann Jacob (1702): Specimen Lithographiae Helvetiae curiosae. David Gessner, Zürich.

Scheuchzer Johann Jacob (1706): Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. J.J. Scheuchzer, Zürich.

Scheuchzer Johann Jacob (1746): Natur-Geschichte des Schweitzerlandes. David Gessner, Zürich.

Walser Gabriel (1740): Neue Appenzeller=Chronick oder Beschreibung Des Cantons Appenzell Der Jnnern = und Aussern = Rooden. G. Walser, St. Gallen.